Terroranschläge in Paris

"Peace for Paris" by Jean Jullien

Drei Tage ist es her, daß mehrere Terroranschläge in Paris die Welt erschüterten. Und Erinnerungen an einen Tag im Oktober vor 14 Jahren sind auf einmal wieder präsenter denn je.

Normalerweise schlage ich hier eigentlich einen eher ironischen bis sarkastischen Ton an, aber dieser ist mir in den letzten Tagen deutlich vergangen. Zu frisch sind die Ereignisse des 13.11.2015, zu erdrückend die Erinnerungen an 9/11, welche aus den hintersten Winkeln meines Gedächtnisses auf einmal wieder so plastisch hervortreten, als wären sie erst gestern geschehen.

Ich war damals bei einer Tageszeitung beschäftigt und gerade bei meinen Kolleginnen in der Kundenhalle, als einer unserer Anzeigenvertreter im Vorbeilaufen rief, es wäre gerade ein Flugzeug ins World Trade Center geflogen. Da er für seinen etwas skurrilen Humor bekannt war, nahmen wir ihn zuerst nicht wirklich ernst, bis wir die gleiche Information von zwei eintreffenden Redakteuren bestätigt bekamen. Wir konnten, nein, wir wollten es nicht glauben, dachten dann zunächst an ein tragisches, aber durchaus mögliches Unfallszenario. Wie gelähmt standen wir wenig später in der Redaktion und sahen live, wie das zweite Flugzeug in den Südturm fliegen zu sehen.

Die Welt hatte sich verändert. Nicht nur für mich, der ich in einer Zeit relativen Friedens aufgewachsen bin. Zwar war in meiner Kindheit und Jugend die RAF in Deutschland noch aktiv, aber einen terroristischen Akt in dieser Größenordnung hatte ich bis dato nicht bewusst wahrgenommen.

Und dann kommt auf einmal dieser Freitag der 13., an dem die Welt wieder den Atem anhält, an dem man wieder einfach nicht begreifen will, was da gerade geschieht und wie Menschen zu so einer Tat fähig sind.

Auf einmal von der Tresenkraft beim Stammtisch die Meldung: „Es hat vor dem Stadion in Paris, wo gerade das Freundschaftsspiel Deutschland-Frankreich stattfindet, einen Terroranschlag gegeben.“ Nach und nach kommen immer mehr Informationen zu uns durch, vom Massaker im Bataclan, von den Angriffen auf Restaurants und Bars überall in Paris. Zwar ist die Anzahl der Todesopfer verglichen mit 9/11 gering, aber auch nur ein Toter ist schon einer zu viel. Wieder trifft es eine Metropole. Wieder bekennt sich eine islamistische Gruppierung zu dem gerade stattgefundenen Gewaltexzess. Und die Welt ist wieder einmal zu einem Pulverfass geworden, an dem eine extrem kurze Lunte brennt.

Präsident Hollande mobilisiert die französische Armee, Grenzen werden geschlossen, der Ausnahmezustand verhängt. Noch wird darüber nachgedacht, ob man besser ein UN-Mandat zum Angriff auf den IS einholen oder den NATO-Bündnisfall ausrufen sollte. Wer Gewalt säät, wird Gewalt ernten, das war schon immer so. Aber auch jenseits der Bühne der Weltpolitik gärt es. Fragen kommen auf, ob auf der unüberschaubaren Flüchtlingswelle, welche gerade nach Europa schwappt, nicht auch Terroristen mitgeschwommen sein könnten. Und wer das vehement abstreitet, tut mir ehrlich gesagt leid. Es gibt sie in dieser Gruppe genauso, wie es sie unter unseren eigenen Staatsbürgern gibt.

Die Gefahr ist also groß und meiner Meinung nach durchaus beabsichtigt, daß als Folge dieser Tat überall in unserer Gesellschaft Krisenherde entstehen werden, sei es nun, daß Flüchtlinge unter Generalverdacht gestellt werden, Muslime, Männer mit orientalisch anmutender Barttracht… Die Möglichkeiten sind schier unendlich, wenn die ewig Gestrigen an den richtigen Stellen ihr Gift verspritzen und sich die breite Masse nicht dagegenstellt.

In Paris haben es die Bürger vorgemacht. Überall tauchten auf einmal unfreiwillige Helden des Alltags auf, die sich nicht abgewandt haben, sich selbst in Gefahr gebracht und anderen damit das Leben gerettet haben oder einfach nur über Twitter unter #porteouvert denen, die auf einmal inmitten dieses Chaos nicht mehr wussten, wohin, ihre Türen geöffnet haben. Menschen, die trotz Gefahr für ihr eigenes Leben Verwundete aus der Schusslinie geholt haben, Verletzte versorgten, einfach für ihren Nächsten da waren. Vor ihnen ziehe ich den virtuellen Hut. „Chapeau, mes amis!“

Nun liegt es an uns, wie es weitergeht. Lassen wir uns durch die Tat einiger Extremisten derart einschüchtern, daß diese am Ende doch ihr Ziel erreichen? Oder stehen wir als Menschen zusammen, unabhängig von Konfessions- und Staatsgrenzen, und sagen: „Bis hierher, und nicht weiter!“ Jeder kann seinen Beitrag leisten, und wenn er auch nur darin besteht, seine Gedanken nicht von denen vergiften zu lassen, die aufgrund ihrer Verblendung  meinen, ihre Weltordnung wäre die einzige, die es geben dürfe.

 


Denn alle Gesetze werden in einem Wort erfüllt, in dem: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“

Galater 5.14


„Keiner von Euch hat den Glauben erlangt, solange ihr für euren Nachbarn nicht liebt, was ihr für euch selbst liebt.“

Hadith Nr. 45


Selbst die Religionen sagen uns, was zu tun ist, auch, wenn es unser Verstand manchmal nicht wahr haben will. In unserer globalisierten Welt ist quasi jeder unser Nächster oder Nachbar, unabhängig von Nationalität, Glauben oder sonstiger Orientierung. Momentan sieht die Zukunft dunkel aus. Ob das so bleibt, das liegt an uns. Ich hoffe, daß die Terroranschläge in Paris nicht irgendwann aus den Tiefen meiner Erinnerung zurückkehren müssen, wie es die an 9/11 getan haben.


„Dunkelheit kann Dunkelheit nicht vertreiben: nur Licht kann das. Hass kann Hass nicht vertreiben: nur Liebe kann das.“

Martin Luther King

 

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.